Gemeinschaft

Die Wunden sind tief in Pakistan

26. August 2010

Das gesamte Team arbeitete die ganze Nacht durch, um die Beladung der vier Lastwagen abzuschließen. Heftige Monsunregen in der Nacht erschwerten dies zusätzlich. Die ersten zwei Lastwagen fuhren um 7 Uhr morgens in die Krisengebiete. Adnan Şahin und Ufuk Seçgin vom IGMG-Team und Dr. Asim suchten zunächst den Bezirkskoordinator des Katastrophenschutzamts in Nowshera auf. Er begrüßte das IGMG-Team und dankte für die Hilfe für die Flutopfer in seinem Bezirk. „Türkische Organisationen bieten mit Abstand den höchsten Beitrag an Nothilfe an und ich bin ihnen im Namen meines Volkes sehr dankbar dafür“, erklärte er. Das IGMG- Hilfsteam vereinbarte, die Hilfsgüter in zwei Flüchtlingslagern zu verteilen. Ihnen wurde eine Gruppe von Polizeibeamten zugeordnet, um ihre persönliche Sicherheit in dieser unsicheren Region Pakistans zu gewährleisten. Das IGMG-Team wurde von zwei Kamera-Teams von den nationalen Nachrichtensendern ARY und Samaa begleitet, die Interviews mit der lokalen Bevölkerung sowie dem IGMG-Team führten und die Verteilung der Hilfsgüter filmten.

Zunächst fuhr das IGMG-Hilfskonvoi nach Aza Khel, wo die örtlichen Beamten bereits die Flutopfer identifiziert und Coupons verteilt hatten, die diese für die Entgegennahme von Hilfspaketen benötigten. Das Team machte zunächst eine Erkundungstour, um die Zerstörung in dieser Region zu sehen. „Ganze Dörfer sind  ausgelöscht und nicht mehr als ein paar Backsteinmauern sind übrig geblieben. Die gesamte Ernte wurde vernichtet und Hausbesitzer versuchen ein paar Habseligkeiten aus den Trümmern zu retten. Einige haben sogar mit dem Wiederaufbau ihrer Häuser begonnen“, teilt das Team seine Beobachtungen mit.

Ufuk Secgin, der auch als Teil des IGMG-Aceh-Hilfsteams unmittelbar nach dem Tsunami im Dezember 2004 in Südostasien war, erklärte: „Die durch das Hochwasser verursachte Verwüstung ist unbeschreiblich. Man kann dies mit einem langsamen Tsunami vergleichen, der den Menschen zwar ermöglichte, ihre Häuser zu verlassen, aber eine große Verwüstung verursachte.

Nach dem kurzen Rundgang waren die ersten zwei Lastwagen in Aza Khel angekommen und das Entladen der 45kg Lebensmittelpakete konnte beginnen. Das heiße Wetter um rund 40 Grad forderte alles von den hart arbeitenden Teams. In der Zwischenzeit warteten die Flutopfer bereits draußen vor dem Tor und mehr und mehr Menschen schlossen sich der Masse an. Die lokalen Polizeibeamten, führten die erste Gruppe durch das Tor und die Verteilung begann in einer koordinierten und disziplinierten Weise. Coupons und IDs wurden vor der Übergabe jedes Hilfspakets überprüft. Allerdings wurde die Menge vor dem Tor größer und größer, da sich Menschen ohne Coupons der Gruppe anschlossen. Das Polizeiteam versuchte, die Menschenmenge unter Kontrolle zu bringen und nur unter großen Anstrengungen schafften sie es, kleine Gruppen von Menschen durch das Tor zu führen. Nach zwei Stunden waren die ersten 500 Hilfspakete verteilt.

„Dieses Verhalten der Menschen ist Zeichen ihrer Verzweiflung. Sie sind hungrig und führen einen Kampf um Leben und Tod. Wir hatten auch nach dem Erdbeben 2005 in Kaschmir Hilfsgüter mit der IGMG verteilt, aber damals hatten die Menschen sich nicht auf diese Weise verhalten“, erklärte Dr. Asim.

Nach der Verteilung der Hilfe in Aza Khel, fuhr das IGMG-Hilfskonvoi in die entlegene Stadt Kheshgi mit einer Bevölkerung von ca. 100.000 Menschen. Die letzten beiden IGMG-LKWs hatten sich in der Zwischenzeit dem Konvoi angeschlossen und als sie in Kheshgi ankamen warteten die lokalen Beamten bereits ungeduldig. Nach den Erfahrungen während der ersten Verteilung, vereinbarte das IGMG-Team mit den Vertretern aus dem Katastrophenschutzamt, die Taktik zu ändern. Anstatt die Hilfsgüter von einem zentralen Punkt aus zu verteilen, beschlossen sie, sie in kleinere Sendungen aufzuteilen und sie dezentral zu verteilen. Daher wurden die Waren auf kleinere Fahrzeuge umgeladen. Um Zeit zu sparen, wurden die Hilfsgüter an mehreren Orten gleichzeitig verteilt. Die Mitglieder des IGMG-Teams teilten sich in kleinere Gruppen auf und begleiteten die kleineren LKWs, um sicherzustellen, dass die Hilfsgüter die Zielgruppen erreichen würden. Diese Taktik erwies sich als erfolgreich in der Gruppe, die von dem IGMG-Hilfsteam begleitet wurde, aber die Verteilung in den anderen Gruppen wurde von der Bevölkerung unterbrochen, die sich nicht an die Ankündigungen der Polizei und der Dorfältesten hielten. Irgendwann musste einer der beiden Haupt-LKWs aufgegeben werden, so dass die Ladung von der verzweifelten Bevölkerung geplündert wurde. Da dieser Ort sich im tiefen Stammesgebiet befindet, hatte das IGMG-Team zuvor vereinbart, dass die Polizei und die Hilfsmannschaften keine Gewalt anwenden würden, um die Hilfsgüter zu verteidigen. Es ist sehr normal, dass die lokale Bevölkerung in dieser Region Waffen besitzt. Später wurde der LKW wieder übernommen und das IGMG-Team schloss die Verteilung der Hilfe in einem Flüchtlingslager außerhalb Khesghis ab.

„Wir haben uns entschieden, die restlichen Hilfsgüter schnell zu entladen und schließen den heutigen Tag ab, da wir völlig erschöpft sind und es sehr schnell dunkel wird. Jeder hat unter diesen extrem schwierigen Bedingungen eine großartige Arbeit geleistet. Die Sicherheit unserer Menschen hat höchste Priorität und die Polizei konnte sie nicht mehr garantieren. Der Polizei möchten wir gerne für ihre hingebungsvolle Unterstützung danken. Sie setzen ihr eigenes Leben aufs Spiel, um uns zu schützen „, erklärte Ufuk Secgin, Leiter des IGMG-Notfallteams, während des Interviews mit dem TV-Kanal Ary.

Insgesamt verteilte das IGMG-Pakistan-Hilfsteam mehr als 1.000 Hilfspakete. Weitere 500 Pakete wurden am Mittwoch in einem Flüchtlingslager zwischen Nowshera und Islamabad verteilt.

Die Verluste im Agrarbereich sind groß. Gewaltige Flächen wurden überflutet. Die Überflutungen können auch die nächste Erntesaison gefährden. Die Schäden an den Bewässerungskanälen werden die Ernteerträge langfristig beeinträchtigen. „Die Bevölkerung wird voraussichtlich lange Zeit nicht in der Lage sein, sich selber zu versorgen. Die Preise für einige Lebensmittel sind bereits in die Höhe geschossen. Die Reaktion der internationalen Gemeinschaft war bisher schwach und langsam. Eine rasche und entschlossene Reaktion ist notwendig, um eine weitere Verschärfung der humanitären Krise abzuwenden“, sagte Ufuk Secgin.

Das IGMG-Team trat am Montagabend die Rückfahrt an. Vor seiner Abreise kam es mit einigen lokalen und internationalen NGOs zusammen, um Projekte für den Wiederaufbau zu entwickeln. Adnan Sahin erklärte: „Es wird nicht bei dieser Soforthilfemaßnahme bleiben. Hilfsteams der IGMG werden bald wieder zurück sein, um den Flutopfern in Pakistan langfristige Hilfe zu leisten.“

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