Pressemitteilung

Die Islamkonferenz als Instrument des hegemonialen Diskurses gegenüber Muslimen?

16. März 2010

Die DIK wurde auch seitens der muslimischen Repräsentanten trotz ihrer Kritik an der von Anfang an bestehenden Asymmetrie der Zusammensetzung, der Struktur, der Finanzausstattung und insbesondere der Themenbesetzung als ein längst überfälliger Dialog des Staates mit seinen muslimischen Bürgern positiv gewürdigt. Während die muslimische Seite schon während der DIK 1 diese Probleme intensiv diskutierte und problematisierte, wurde diese Kritik von den Verantwortlichen im BMI kaum aufgegriffen.

Diese problematischen Aspekte wurden in der jetzigen Phase noch deutlicher. Zwar wird die öffentliche Diskussion auf die mit dem Rückzug des Islamrats losgetretene Frage der Teilnahme der islamischen Religionsgemeinschaften verkürzt. Dabei verkennt diese Debatte nicht nur die tatsächlichen Hintergründe, sie verdeckt vielmehr die mit der Themenbesetzung und Auswahl der Teilnehmer verbundene hegemoniale Diskurskultur.

Die „staatliche Seite“ bestimmt weiterhin, wer auf beiden Seiten des Tisches sitzen darf, ja sogar, wer die Muslime repräsentieren und wer sie am besten nicht repräsentieren sollte. Dabei geht sie sogar soweit, dass sie die islamischen Religionsgemeinschaften durch selbst in Auftrag gegebene Studien möglichst „kleinredet“, um sie während der Konferenz mit Verweis auf ihre mangelnde Repräsentativität immer wieder in ihre Schranken zu weisen. So gehört es auch zum üblichen „guten Ton“ gegenüber den „islamischen Verbänden“, dass deren Selbstverständnis als islamische Religionsgemeinschaft in keinem Papier Erwähnung findet.

Die Zielsetzung der DIK von Seiten des BMI liegt weniger in der Integrationsförderung als vielmehr in der Fortführung der Leitkultur-Debatte auf einer anderen Plattform. Im politischen Diskurs dient dabei die Leitkultur-Diskussion „der Rhetorik der Ausgrenzung und der utopischen Konstruktion einer autochthonen Bevölkerung“. Über diese wird ein geschlossenes und homogenes Wertesystem projiziert, ohne dass dieses näher definiert wird. Dadurch kann es je nach Bedarf beliebig gewendet werden.

So fordert Bundesinnenminister de Maiziere, dass „der Islam“ als Religion sich nicht nur zu „den Werten“ bekennt, seine Repräsentanten und seine wichtigen Figuren sollen diese auch vor- und mitleben. Dafür sollen dann die nicht Islamangehörigen sich gerade mal daran gewöhnen, dass ein „aufgeklärter Islam“ in Deutschland zu Hause ist.

Dabei verwendet der Bundesinnenminister den typisch kulturalistischen Diskurs von einem starren mittelalterlichen und undemokratischen Islam, welcher sich noch gemäß „westlicher“ Vorgabe entwickeln muss, namentlich seine sogenannte „Aufklärung“  noch vollziehen muss.

Es findet eine Festschreibung „der Muslime“ als das „Andere“ statt, um sie sodann sprachlich als Gegenpol zur „christlich-jüdisch-abendländischer“ Identität zu definieren und mitzuteilen, wie das „Andere“ sich verhalten muss, will es eine Existenzberechtigung haben.

Im Ergebnis dominieren in der Debatte um den Wertekonsens die Anpassungserwartungen an die Muslime. Die vermeintlich fehlende Integration der Muslime bzw. ihr Leben in einer Parallelgesellschaft, erscheint als selbstverschuldetes Festhalten an einer Religion, die rückständig, frauenverachtend, aufklärungsfeindlich etc. ist und dem „Wertkonsens dieses Landes“ widerspricht.

Die Folge ist, dass alle Ursachenforschung dem „Muslimsein“ zugeschrieben und damit eine Erörterung außerhalb des religiösen Kontextes unterdrückt wird. So geht es zum Beispiel bei der Frage nach Geschlechtergerechtigkeit weniger um die Beschäftigung mit den tatsächlichen Ursachen, als vielmehr darum, zu markieren und herauszuarbeiten, dass muslimische Geschlechterrollen sich aufgrund der religiösen Unterschiede vorgeblich von denen der „christlich-westlich sozialisierten“ Bürger unterscheiden und damit von Muslimen eine Anpassungsleistung erbracht werden muss. Dabei werden jedoch grundsätzliche Probleme der Gleichberechtigung in den Bereich der vermeintlich „frauenfeindlichen Religion der islamischen Lebensweise zugewiesen“, womit sie dann  diskursiv aus der „westlichen Kultur“ herausgelöst werden können. Danach werden mit Hilfe „des Islams“ eigene Werte-und Normendiskussionen derart ausgetragen, dass unerwünschte innere Diskurse „islamisiert“ und ausgegrenzt werden, so bei der Thematik der Geschlechtergleichstellung und neuerdings auch beim Antisemitismus.

Kritik verdient auch die Islamismus-Debatte in der DIK. Während in dieser Debatte immer wieder darauf verwiesen wird, dass es hier um die Abgrenzung der Religion vom politischen Missbrauch geht, wird tatsächlich ein „Präventionsansatz“ verfolgt, der Muslime ohne konkreten Anlass als potentiell gefährlich einstuft, um damit Religiosität bei Muslimen grundsätzlich als integrationshemmend zu problematisieren und „Präventionsmaßnahmen“ gegenüber ihnen zu rechtfertigen.

Auf Grundlage dieses Verständnisses entfaltet die staatliche Seite Präventionsmaßnahmen, die sich mit der freiheitlichen Demokratie nicht vertragen, destruktiv für die Integration der Muslime sind und Vorurteile in der Mehrheitsgesellschaft gegenüber den Muslimen stärken.

Dass de Maiziere zu dem erneut die Debatte um den islamischen Religionsunterricht in der Schule anstoßen will, ist nicht nachvollziehbar. Offenbar hat sich die Ministeriumsleitung nicht mit den bereits erzielten Ergebnissen der ersten DIK zu diesem Thema ausreichend beschäftigt.

Das BMI und die Union öffnen sich zwar mit der DIK Sachzwängen,  die durch die dauerhafte  muslimische Präsenz vorgegeben sind, sie können sich jedoch nicht von ideologischen Konstruktionen lösen, um einen ausgewogenen Weg im Sinne einer demokratisch-pluralistischen Gesellschaftsordnung zu gehen.

Parteipolitisch ist die DIK ein Projekt der Union, an der die FDP nicht beteiligt ist. Deshalb ist es leicht, die DIK auch für eigene strategische Zwecke zu nutzen. Indem sog. Islamkritiker eingebunden werden, die solche Positionen vertreten sollen, welche von „staatlicher“ Seite nicht eingenommen werden können, ohne sich einem Rassismusvorwurf auszusetzten, werden islamophobe Kreise besänftigt, unter anderem mit der Intention, die drohende Gefahr einer Partei „rechts von der CDU“ zu bannen.

Im Ergebnis kann die DIK als ein konstruktives Projekt nur dann funktionieren, wenn das Konzept auf Grundlage der heterogenen Gesellschaft neu aufgesetzt und freiheitlich-pluralistisch definiert wird. Dem muss eine Politik der Anerkennung zugrundegelegt werden.

Indo: Die Langfassung dieses Beitrages kann hier abgerufen werden.

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