Freitagspredigt
Îsâr: Für seine Geschwister da sein
09. Oktober 2025
Verehrte Muslime!
Îsâr bedeutet, jemanden sich selbst vorzuziehen, und zwar auch dann, wenn man selbst bedürftig ist. Damit ist Îsâr die höchste Stufe der Großzügigkeit.
Îsâr ist nicht nur ein Akt des Gebens, sondern eine Haltung. Sie zeugt von einem festen Îmân und von wahrer Geschwisterlichkeit. Im Koran heißt es: „Sie ziehen ihr Geschwister sich selber vor, auch wenn sie selbst bedürftig sind.“[1] Dazu sagte der Prophet (s): „Keiner von euch glaubt wirklich, solange er nicht für seinen Bruder das wünscht, was er auch für sich selbst wünscht.“[2] Damit machte er Îsâr zum Maßstab des Îmâns.
Unsere Zeit ist geprägt von Individualismus, Egoismus und Konsum. Die Menschen vereinsamen, Vertrauen und Zusammenhalt schwinden. Krisen und Katastrophen machen Millionen Menschen hilfsbedürftig. Îsâr ist heute notwendiger als je zuvor.
Îsâr reinigt die Herzen von Geiz und Gier. Er ermutigt zum Teilen und stärkt die Geschwisterlichkeit. Er bringt Frieden in die Familie, Zusammenhalt in die Nachbarschaft, Vertrauen in die Gesellschaft, Bewusstsein in die Gemeinschaft und gegenseitigen Respekt unter die Menschen.
Liebe Geschwister!
Îsâr bedeutet, Kranke zu besuchen, Älteren zu helfen, bei gemeinnützigen Arbeiten mitzuwirken. Auch seine Erfahrung an junge Menschen weiterzugeben und ihnen bei der Arbeitssuche zu helfen. Im Alltag zeigen sich kleine, aber wertvolle Beispiele: im Verkehr einem anderen den Vorrang zu lassen, in einer Warteschlange jemanden vor sich zu lassen oder am Arbeitsplatz die Rechte seiner Kollegen zu achten.
Îsâr zeigt die Kraft der Geschwisterlichkeit und bewirkt den Frieden in der Gesellschaft. Unser Prophet (s) sagte: „Der beste Mensch ist derjenige, der den Menschen am nützlichsten ist.“[3] Ein Mensch, der Schmerz empfindet, ist lebendig, ja; aber nur ein Mensch, der den Schmerz anderer empfindet, besitzt Menschlichkeit. Dazu gehören auch die Aktivisten der globalen Sumud-Flottille. Sie sind ein Beispiel für Îsâr. Angesichts des Unrechts gegenüber Schwächeren, blieben sie nicht still, sagten nicht: „Das geht mich nichts an!“
Lasst uns in unserer Familie, Gemeinde und Gesellschaft den Geist des Îsâr lebendig halten. Vergessen wir nicht: Unser Îmân erfordert es auch, für seine Mitmenschen zu leben, für sie da zu sein. Und der leichteste Weg, Egoismus, Eigeninteressen und Gleichgültigkeit zu überwinden, ist Îsâr.
Möge unser Schöpfer uns Güte schenken und uns von dem spenden lassen, was wir lieben. Möge er uns mit der Haltung des Îsâr segnen. Âmîn.
[1] Sure Haschr, 59:9
[2] Tirmizî, Sifât al-Kiyâma, 59
[3] Buhârî, Mağâzî, 35